OT: Exit Wounds
ACTION: USA, 2001
Regie: Andrzej Bartkowiak
Darsteller: Steven Seagal, DMX, Tom Arnold, Isaiah Washington, Anthony Anderson
Steven Seagal ist Orin Boyd, der härteste Polizist Detroits. Als er den Präsidentschaftskandidaten vor Terroristen rettet und den Secret Service alt aussehen lässt, wird er zur Strafe in das heruntergekommmenste Viertel der Stadt versetzt.
Da muss er sich nicht nur mit dem Verbrecherkönig Latrell Walker und Anti-Wut-Seminaren rumschlagen, sondern auch mit seinen korrupten Kollegen.
Nachdem Warner Brothers 1997, nach dem Flop von Seagals Öko-Action-Drama-Thriller FIRE DOWN BELOW, ihren langjährigen Filmvertrag mit Seagal gekündigt hatten, wollten Sie es 2001 noch einmal wissen und engagierten den inzwischen auf imposante Maße angeschwollenen Meister des Handgelenkbruchs™ für einen erneuten Ausflug auf die Leinwand. Es sollte Seagals Comeback werden, doch obwohl EXIT WOUNDS an den Kinokassen ein recht ordentliches Einspielergebnis generierte, gelang es nicht. Die Dekade Seagal war einfach vorbei.
EXIT WOUNDS ist interessanterweise einer jener Filme die ich besser in Erinnerung habe, als sie wirklich sind. Anno 2001 war ich noch hellauf begeistert, stand aber vermutlich noch unter dem schädlichen Einfluss des nur ein Jahr zuvor erschienenen ROMEO MUST DIE – der für sich genommen gar nicht so übel ist. EXIT WOUNDS ist der zweite Teil einer nicht zusammenhängenden Trilogie des Regisseurs Andrzej Bartkowiak und verwendet daher ähnliche Stilmittel - die jedoch in einem Steven Seagal-Film nur bedingt funktionieren. Die erneute Sichtung im Rahmen meiner kleinen Seagal-Retrospektive - oder eher der großen, schließlich hat der Meister inzwischen über 40 Filme in seiner Filmographie - war leider auch ein wenig ernüchternd.
Außer Frage steht natürlich, dass EXIT WOUNDS deutlich besser ist als das vorher erschienene, absolut schnarchige, Direct-to-Video-Debüt THE PATRIOT. Auch der schwülstige Öko-Thriller mit Kuschelfaktor FIRE DOWN BELOW fällt gegenüber EXIT WOUNDS deutlich ab. Steven Seagal darf endlich mal wieder Steven Seagal sein und muss nicht die Wale retten oder die Erderwärmung aufhalten, keinen Wildblumensud trinken oder seine Gegner kaputt faseln, anstatt sie kaputt zu hauen.
Schon gleich zu Beginn wird die Richtung vorgegeben, wenn Seagal erstmal den Secret Service doof dastehen lässt und ein ganzes Söldnerheer im Alleingang zerlegt. Was jedoch auffällt, ist dass Seagals Figur Orin Boyd für dieses Verhalten gerügt wird, gar strafversetzt. Die Produzenten und Autoren wollten eine Art John McLane aus ihm machen, einen ewigen Querkopf, der doch nur fürs Gute kämpft - ein Klischee so ausgelutscht, dass selbst Seagals ewige Ex-CIA Agenten-Masche dagegen noch heute frisch wirkt. Wahrscheinlich wollten sie ihn für das Publikum im neuen Jahrtausend sympathischer gestalten, der gute alte Seagal war nicht mehr Zugpferd genug. Doch leider wirkt das Ganze arg deplatziert, passt nicht zu Seagal - und zum Verlgeich, auch Casey Ryback war eine durchaus sympathische Seagal-Figur, die jedoch einen Orden für das Vernichten des Terroristenpacks bekam.
Die Action ist hingegen gar nicht von schlechten Eltern - es wird geballert was das Zeug hält und Einschüsse sind zahlreich und blutig. EXIT WOUNDS beginnt sehr vielversprechend und mit dem nötigen Krach-Wumm und schön inszenierten Schusswechseln. Wenn jedoch Seagal das erste Mal die Handgelenke sprengt, wird es enttäuschend. Als sich eine Gruppe Kleinkrimineller an seinem Wagen zu schaffen machen, kommt sofort gute Stimmung auf, denn eins ist klar - glücklich werden die an dem Abend nicht mehr. Doch die Enttäuschung folgt - nach einem kurzen, gelungenen Späßchen - sofort, denn Joel Silver war der Ansicht, dass Aikido nicht so gut zieht und so wurden die Kampfszenen nicht auf die gewohnte, brutale Effizienz Seagals hin inszeniert. Stattdessen bemühte man die Drahtseile – seufz.
Und wenn "Seagal" dann das erste Rad in der Luft schlägt, ist der ganze Spaß schnell verflogen. Die Kampfszenen sind von dämlichem, unpassendem Wire-Fu-Nonsens durchzogen. Bei Jet Li mag das ja durchaus was hermachen und auch passen, aber weder DMX noch Seagal können diesen "Kampfstil" überzeugend rüberbringen - allein schon auf Grund Seagals Größe und „Ungelenkheit“. Dieser Wire-Fu-Müll passt zu Seagals Stil in etwa so gut wie Bescheidenheit zu seinem Ego. Dazu kommt noch, dass man sogar sieht, dass Seagal gedoubelt wurde, wenn man mit verbundenen Augen in die andere Richtung guckt. Einzig ein Kampf ist interessant umgesetzt - als Seagal sich gegen zwei Türsteher "Marke Wandschrank" zur Wehr setzten muss, kommt er ordentlich ins Schwitzen und hat redlich Mühe sich zu behaupten - so etwas passiert ja eher selten und ist da her auch mal ganz nett anzusehen. Im Gegenzug dazu, hatte Seagal in NICO einen ebenso großen Schrank stilvoll mit nur einem gezielten Schlag auf den Solarplexus ausgeschaltet.
Die Mann gegen Mann-Kämpfe sind also, trotz einiger guter Techniken Seagals, ziemlich enttäuschend. Vor allem DMX' Endkampf ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten und wenig überzeugend. Im Endeffekt ist es aber auch klar, dass es weniger die Kämpfe sein sollen, über die EXIT WOUNDS sich definiert. EXIT WOUNDS ist kein reiner Seagal-Film - die Zeiten von NICO und HARD TO KILL waren 2001 wirklich vorbei. Vielmehr werden viele Elemente aus Buddy Cop-Filmen und sonstigen Actionern wie STIRB LANGSAM verwurstet. Natürlich war auch ALARMSTUFE: ROT schon eine Art STIRB LANGSAM-Klon, allerdings angepasst an die rotzige Attitüde Seagals.
Aber, es ist nicht alles schlecht, auch wenn die letzten Absätze sich wohl so lesen. Gut, auch die Handlung ist natürlich großer Schwachfug und zaubert am Ende eine völlig unvorbereitete Wendung aus dem Hut, die einfach nur rotzdämlich daherkommt. Aber die gilt es einfach zu verschmerzen, denn unter den Seagal-Filmen – und an dieser Stelle wage ich eine Prognose: vor allem den Spätwerken – gehört das Drehbuch zu EXIT WOUNDS, trotz zahlreicher Unzulänglichkeiten, noch zu den durchdachtesten und handwerklich geschicktesten.
Richtig punkten die beiden Autoren Ed Horowitz und Richard D'Ovidio jedoch mit den komödiantischen Elementen des Films. Getragen von einem herrlich selbstironischen Steven Seagal, der einmal mehr fest mit seiner Filmfigur verschmilzt, werden in EXIT WOUNDS trotz aller Härte ähnliche Töne wie in GLIMMER MAN angeschlagen – es darf gerne gelacht werden und das auch abseits von zynisch-spaßigen One-linern. Wenn Seagals Orin Boyd etwa Dienst als Verkehrspolizist schieben muss oder in der Wut-Therapie Tische zertrümmert, steigt das Spaß-O-Meter deutlich an. Nebendarsteller Anthony Anderson bringt mit seinem ewig plappernden Handlanger Johnson ebenfalls Schwung in die Bude, auch wenn seine „Früher Eddie Murphy“-Attitüde auf Dauer fast schon ein wenig zu viel des Guten ist.
In diesem Sinne: „Aber eins muss ich wissen. Haben sie einen Verbrecher wirklich mit ‘ner toten Katze bewusstlos geschlagen?" – „Nein!" – „Nein?" – „Die Katze war nicht tot!"
In EXIT WOUNDS gibt sich Seagal herrlich selbstironisch und zeigt sich einmal mehr von seiner lustigen Seite – immer mit einem lässigen Spruch auf den Lippen manövriert er sich durch manch skurrile Situation. Damit hebt sich EXIT WOUNDS deutlich von seinen sehr zynischen Frühwerken ab – eher GILMMER MAN, denn DEADLY REVENGE. Das funktioniert auch durchaus, vor allem da sich einiges an trashigem Blödsinn dazugesellt. Wenn etwa der Umkleideraum des Polizeireviers vollgepackt ist mit Steroidmonstern und dadurch eher wirkt wie der Vorbereitungsraum beim Mr. Olympia-Wettbewerb, dann entbehrt das nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik. Auf der anderen Seite jedoch ist die Geschichte ziemlich hanebüchen und aus dem Kleinen Einmaleins der Buddy-Cop-Klischees zusammengeklaubt, bis auf die dämliche Wendung am Schluss aber wenigstens handwerklich in Ordnung. Gar nicht gehen jedoch die zahlreichen Kämpfe mit ihren überflüssigen und unpassenden Wire Fu-Eskapaden die weder bei DMX noch Steven Seagal auch nur annähernd gut aussehen und eher peinlich wirken – vor allem auf Grund des exzessiven Stuntman-Einsatzes.
Alles in allem ist EXIT WOUNDS kein filmischer Weitwurf, auch nicht in Seagals Filmographie, unterhält aber wenigstens über die komplette Laufzeit, so dass man sich zwar über die unpassende Kampfchoreographie ärgert, aber wenigstens nicht langweilt.