OT: Zavtra byla voyna
DRAMA: SOWJETUNION, 1987
Regie: Yuri Kara
Darsteller: Sergey Nikonenko, Nina Ruslanova, Yuliya Tarkhova, Natalya Negoda, Vladimir Zamansky
Eine Schule irgendwo in der russischen Provinz um 1940: Den Schülern wird unbedingte Treue zur Partei und zum Vaterland eingebläut. Nachdem eine der Schülerinnen auf einer privaten Geburtstagsfeier Verse eines verruchten Dichters rezitierte und ihr Vater kurz darauf ob seiner liberalen Ansichten verhaftet wird, sieht sich plötzlich eine ganze Schulklasse mit den Schattenseiten des Systems konfrontiert...
KRITIK:"Nicht bloß die Kugel tötet, ebenso ein hässliches Wort und eine schlechte Tat. Den Menschen töten Niedertracht und Feigheit, ihn töten Gleichgültigkeit und Bürokratismus!"
Wow. Ganz schön harter Tobak für einen Film der Mitte der 80er Jahre in der Sowjetunion gedreht wurde. Heutzutage mögen solche Aussagen in einem Film leicht pathetisch klingen, damals jedoch steckte ziemlich viel, vor allem politischer, Sprengstoff in der oben zitierten Aussage, die in einer der Schlüsselszenen des Films getätigt wird. Dass es der Film aufgrund solcher Szenen, oder genauer gesagt aufgrund seiner Botschaft und Thematik nicht leicht haben würde war abzusehen. Auch wenn der Film in im Jahr 1940 spielt, so ist es für den Zuseher ein leichtes die verwendeten Zitate und Gedankenspiele auch auf das Entstehungsjahr des Filmes umzulegen. Dennoch hielt sich der Ärger mit der Zensur in Grenzen, es gab zwar ein Verbot in der DDR, aber allein dass der Film entstehen zu Sowjetzeiten überhaupt entstehen konnte zeigt bereits vom großen Umschwung, der erst ein paar Jahre zuvor durch Michail Gorbatschow vorsichtig angestoßen worden ist.
Es ist eigentlich nicht wirklich verwunderlich, dass der Film auch schon als historisches Zeitdokument gehandelt wurde.
Auch wenn "Und morgen war Krieg" ein politischer Film ist, so vermittelt er doch gleichzeitig etwas vom Lebensgefühl in einem totalitären System. Der Film versteht es, das Alltägliche mit dem Politischen zu vermischen. Dialoge über Büstenhalter finden sich ebenso wie Reflexionen über das Wesen der Wahrheit. Es liegt vor allem am Milieu in dem der Film spielt, das die Geschichte trotz seiner schwierigen Thematik auch leicht nachvollzieh- und vor allem auch fühlbar ist.
Schließlich geht es um eine Gruppe Heranwachsender, die im Grunde die gleichen Probleme wie sie junge Menschen zu jeder Zeit haben, haben. Sie machen sich Gedanken über ihre Zukunft, schmieden Pläne, sind zum ersten Mal verliebt und fühlen instinktiv das nahende Ende ihrer Kindheit.
Zwar wirken einige von ihnen in ihren Einstellungen und vorgefertigten Weltansichten verbohrt, aber auch das unterscheidet sie nicht großartig von Jugendlichen in unserer Zeit. Der Film lässt sich auch durchaus Zeit mit der Einführung seiner Charaktere und so entsteht nicht zuletzt auch aufgrund der durch die Bank guten Schauspieler, beinahe ein Gefühl von Authentizität. Man bekommt eine Ahnung, wie es wohl gewesen sein musste zu einer solchen Zeit in einem solchen System aufzuwachsen. Und auch von der inneren Zerrissenheit, die viele dieser Menschen damals wohl gefühlt haben mögen.
Es sind vor allem die Kleinigkeiten die zu irritieren vermögen, eine unbedachte Aussage, ein falsches Wort und man läuft Gefahr sich und andere in Gefahr zu bringen. Selbst durch einen zu langen Blick in den Spiegel macht man sich schon verdächtig.
Bemerkenswert ist auch die Bildsprache von "Und morgen war Krieg". Im Film überwiegen zum größten Teil strenge, durchkomponierte Schwarz-Weiß-Bilder, die das Gefühl der Enge und Tristesse noch verstärken. Kurze Momente der Unbeschwertheit und des Glücks jedoch, werden in Farbe dargestellt. Ein interessanter Kniff, der das Gefühl der Kälte die den Schwarz-Weiß-Bildern anhaften, noch zusätzlich verstärkt.
Natürlich ist "Und morgen war Krieg" kein einfacher, kein sonderlich unterhaltender Film, an dem man ohne eine gewisse Vorbildung herangehen kann. Es ist vielmehr ein Film der zum Nachdenken bringen will und einem eine nicht allzu weit entfernte Vergangenheit ins Gedächtnis ruft. Gleichzeitig erzählt der Film aber auch von der Jugend und ihrer Vergänglichkeit, vom Erwachsenwerden und den damit verbunden Schwierigkeiten. Aber auch von ihrer Schönheit und von den Momenten der Unbeschwertheit, die mir ihr verbunden sind.
Allerdings hätte der Film meiner Meinung nach ruhig auch etwas intensiver sein können. Szenen die wirklich unter die Haut gehen sind so gut wie nicht vorhanden. Was schade ist.
Yuri Karas Film "Und morgen war Krieg" zählt mit Sicherheit zu den Schlüsselwerken der frühen Glasnost-Zeit. Der Film ist zwar sehenswert und gibt einen guten Einblick in die damalige Zeit, allerdings ist er streckenweise auch anstrengend und das langsame Erzähltempo wird sich der eine oder andere Zuseher erst gewöhnen müssen.