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Blutige Magie

Blutige Magie

OT: Eroticofollia
GIALLO: I, 1974
Regie: Mario Siciliano
Darsteller: Jorge Rivera, Anthony Steffen, Pilar Velásquez, Richard Conte

STORY:

In einem Drehbuch, das während einer psychotronischen Stunde offenbar von kichernden Kiffern auf der Herrentoilette ersonnen worden ist, nachdem sie sich am Abend zuvor ALL THE COLORS OF THE DARK, CARNIVAL OF SOULS, THE WITCHES und DELIRIUM reingepfiffen haben, geht es um… Ja, um was geht es eigentlich? - Bleiben Sie dran! Das erörtern wir später!

KRITIK:

Wie steht es so schön auf dem Backcover? "Der Film überzeugt durch einen grandiosen Anthony Steffen und einer verwirrenden Story…" Na, so liebevoll kann man natürlich auch einen Film umschreiben, der landauf landab als übelste Gurke verschrien ist.

Dabei würde der Covertext auch keinen Test am Lügendetektor überstehen. Sicher, der alte Genrehase Anthony Steffen (THE NIGHT EVELYN CAME OUT OF THE GRAVE und gefühlte elftausend Italowestern) setzt all seine Professionalität ein, um stoisch die Idiotenvorgaben des Drehbuchs umzusetzen. Doch kann eine grandiose Leistung daraus entwachsen, wenn ein dämliches Skript von einem gestandenen Schauspieler alle zehn Minuten verlangt, dass er in schönster CARNIVAL OF SOULS-Manier einen temporären Gehörverlust simuliert?

Man bekommt viel mehr Mitleid mit dem guten, alten Steffen, wenn er wieder mal irritiert auf einen stumm bellenden Hund schauen muss; oder auf Porzellan, das in absoluter Stille zerbricht.

Und wenn er dann nachdenklich die Stirn runzelt, wenn jemand die Tonspur wieder einschaltet. Hexenfluch? Hypnose? Hörgerät kaputt? Wassup? Jede Wette, dass nicht mal Steffen die Antwort kennt. Das Drehbuch verweigert die Aussage und deklariert sie als weiteres ungelöstes GEHEIMNIS DES MAGISCHEN KREISES; so lautet übrigens ein Alternativtitel dieses Films, vor dem sich der unbedarfte Zuschauer in Acht nehmen sollte.

Denn war das Adjektiv "grandios" noch maßlos übertrieben, so ist die "verwirrende Story" Understatement pur! Ein Polselli hätte diesen Plot nicht chaotischer gestalten können. Was sage ich! Gegen die BLUTIGE MAGIE ist Polsellis REINCARNATION OF ISABEL ein in sich geschlossener Film. Logisch. Nachvollziehbar. Absolut klar strukturiert.

Sicilianos BLUTIGE MAGIE ist die filmgewordene Planlosigkeit. Da zieht auch die Psychotronikausrede nicht mehr. Hier ist nichts gewollt. Nichts durchdacht. Der Film ist schlicht und ergreifend Humbug.

Um was es eigentlich geht? Bei der Inhaltsangabe habe ich ja vor dieser Frage kapituliert, aber nun wollen wir gemeinsam versuchen dem Chaos einen Sinn zu entlocken; was gar nicht so einfach sein wird…

Aber okay, seid ihr bereit? Dann los: Wir haben den Playboy Peter, der gerne rauschende Saufpartys mit anderen reichen Taugenichtse und dahergelaufenen Schlampen feiert. Nach einem besoffenen Gruppenpennen im Wohnzimmer beginnt um sechs Uhr abends dann der "Tag". Dann machen sich in seiner Gegenwart manchmal Gegenstände selbstständig, Glöckchen erklingen aus dem Nichts und unser smarter Player bekommt einen seltsamen Gesichtsausdruck, die Hände verkrampfen sich und dann; ja und dann bringt er meistens jemanden um. Vorzugsweise Frauen.

Manchmal wissen die Frauen auch, dass Peter sie umbringen wird - weil sie im Traum von ihren verstorbenen Ehemännern gewarnt worden sind. Was sie allerdings nicht davon abhält, sich trotzdem mit Peter zu verabreden. Und dann wundern sie sich, wenn der Kerl seinen komischen Gesichtsausdruck kriegt… Da versteht einer mal die Frauen!

Aber zurück zu Peter. Der ist sich gar nicht sicher, ob er tatsächlich ein Mörder ist. Sicher - er würgt und meuchelt wild umeinander, aber manchmal sind die Leichen danach spurlos verschwunden. Oder tauchen ganz woanders wieder auf. Und manchmal hält er auch Konversation mit toten Omis …

Hm, denkt sich Peter, vielleicht ist bei mir eine Schraube locker… Um sich Klarheit über seinen Geisteszustand zu verschaffen, lässt er sich einweisen. Er will jetzt endlich wissen, ob und wenn ja was ihn zum Morden umtreibt. Haben diese nackten Satanisten, die dann und wann durch seinen Vorgarten kriechen und die Peter "Lebewesen" (?!?) nennt, etwas damit zu tun? Oder steckt hinter allem der Psychiater, der einst gerne mal mit Peters Mama hätte, aber nicht durfte und dafür nun den verwirrten Sohn in schwarzmagische Sippenhaft nimmt?

Wo wir beim Rätseln sind - Anthony Steffens unzuverlässige Ohren haben wir schon erfolgslos hinterfragt. Aber warum zum Teufel kotzt der erpresserische Butler Frösche (!), kurz bevor er von einem Gewehr erschossen wird, welches dem Begriff automatische Feuerwaffe eine völlig neue Dimension gibt?

Fragen über Fragen, doch zumindest in der 89 Minuten langen (oder besser: kurzen) deutschen Version keine Antworten! Könnte sein, dass ein paar Erklärungen der Schere zum Opfer gefallen sind, denn die derzeit verschollene Originalfassung besitzt angeblich eine Laufzeit von stolzen 106 Minuten. Möglich wäre aber auch, dass ein ungenannter Samariter im Schneideraum Mitleid mit dem Publikum bekommen und den Stuß aus Fürsorgegründen gekürzt hat.

Wie dem auch sei: Irgendwann im letzten Drittel stellt Anthony Steffen den Psychiater zur Rede. Aber der sitzt nur hinter seinem Schreibtisch und schaut in einer Art diabolischem Dumpfsinn in die Kamera. Dabei wirkt er so, als würde er jetzt gerne etwas sagen, nur allein das Drehbuch hat keinen Text für ihn.

Ah ja, das Drehbuch! Jede Wette, dass es in einer Kneipe entstanden ist. Irgendwann zwischen der fünfzehnten Runde J & B und dem dritten auf dem Klo gerauchten Joint. Anders ist der Wirrsinn auf dem Bildschirm nicht zu erklären, der in Konspiration mit der unterirdischen deutschen Synchronisation nochmals einen Dümmlichkeitsschub erhält. Was sich in grenzdebilen, völlig sinnfreien Dialogen äußert.

Frohlocken etwa die Schmerzfreien unter den Lesern gerade? Die lustigen Trash wittern? Obacht! Die BLUTIGE MAGIE ist zwar hohl, aber dabei auch noch so furchtbar unerträglich inszeniert, dass man noch nicht einmal Amüsement aus dem Schrott ziehen kann. Abgesehen von der einen Szene, als der arme verwirrte Peter sich nicht mehr an einen One Night Stand erinnern kann und die Dame dies als Affront auffasst. Köstlich. Dafür gibt es einen (Humor-)Punkt! Den anderen Punkt verdient sich BLUTIGE MAGIE wegen der dann und wann doch mal aufblitzenden Psychotronik. Die knallt vor allem in der überraschend gelungenen und herrlich bizarren Szene mit dem Kran und der Hexe. Im Nachhinein entpuppt sich dieses Highlight allerdings als bloßes Zufallsprodukt eines komplett ins Chaos entschwebten Filmdrehs. Schade! Ein guter psychotronischer Giallo hätte in der Sammlung noch gefehlt.

Blutige Magie Bild 1
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FAZIT:

Ihr kennt doch das FLIEGE-Remake von Cronenberg? In diesem Film hat Jeff Goldblum zwei Teleportationskabinen entwickelt, die in etwa so funktioniert haben: In Teleporter A löst sich der zu beamende menschliche Körper in seine Atome auf; die Atommasse wird dann in Sekundenschnelle per Teleport in den Teleporter B transportiert, wo sich der Mensch wieder materialisiert. Dieses genial durchdachte Experiment ist seinerzeit bloß gescheitert, weil Jeff Goldblum - nachdem er nackt in den Teleporter A gestiegen ist- eine mickrige kleine Stubenfliege an der Wand übersehen hat…
Nun stellen wir uns einen Regisseur namens Mario vor. Der steckt einen halbgaren Giallo in den Teleporter, übersieht aber dabei einen Okkulthorrorfilm, der zusammen mit einer saudummen deutschen Synchronisation und einem Häufchen Unsinn in der hintersten Ecke kauert und schmollt, weil ihn bisher niemand verfilmen wollte. Mario drückt unbedarft den Startknopf- und ZOOOOSCH!- es blitzt einmal in Teleporter A und zweimal in Teleporter B. Und als Mario die Luke öffnet und seinen schönen frisch teleportierten Giallo herausnehmen will, findet sich darinnen nur noch ein hirnloses Kuddelmuddel, das sich EROTICOFOLLIA nennt und nicht weiß, ob es Giallo oder Okkulthorror sein will. Unter Verwendung von Decknamen wie DAS GEHEIMNIS DES MAGISCHEN KREIS oder BLUTIGE MAGIE soll es aber auch schon deutsche Wohnzimmer heimgesucht haben…

WERTUNG: 2 von 10 erbrochenen Fröschen
TEXT © Christian Ade
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Dein Kommentar >>
Andreas | 23.01.2010 15:43
super fazit :-)
Harald | 23.01.2010 21:28
super kritik :)
Chris | 27.01.2010 18:44
Super Kommentare...

Danke schön! : )
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