OT: Häxan
HORROR: DK, 1922
Regie: Benjamin Christensen
Darsteller: Maren Pedersen, John Andersen, Benjamin Christensen, Clara Pontopiddan
HÄXAN ist die visualisierte Dokumentation mittelalterlichen Hexen- und Teufelsglauben getreu den alten Überlieferungen und Berichten…
KRITIK:Gestatten, des Teufels Großmutter!
HÄXAN aus dem Jahr 1922 (!) ist unbestritten die Ahnherrin solch schöner Genres wie die Hexploitation, die Nunsploitation und dem okkulten Horrorfilm.
Zugegeben, im Jahre des Herrn 2009 wirkt manches im Film unfreiwillig komisch, bisweilen gar albern. Doch um Benjamin Christensens Werk gerecht zu werden, darf man ein paar Fakten nicht aus den Augen verlieren. Wenn man sein Entstehungsjahr berücksichtigt, ist HÄXAN zweifelsohne unerschrocken, Stil prägend und geradezu eklatant grenzüberschreitend. Visualisierte Blasphemien wie alte Frauen, die auf christlichen Kreuzen herumtrampeln, mit Dämonen buhlen und Dämonen gebären oder dem Teufel buchstäblich gemäß der überlieferten Litanei Schwarzer Messen den Hintern küssen, haben nicht umsonst den Vatikan auf den Plan gerufen, um das Werk mit Acht und Kirchenbann zu schlagen.
Was die gezeigten Verwünschungen betrifft - wie etwa jene, als ein altes Weib einem Kerl eine unsichtbare Maulsperre anhext - dann mag das an sich lächerlich wirken, aber früher wurde tatsächlich (und vor allem in unserem deutschsprachigen Raum) an derlei Unsinn geglaubt. Und: Für vermeintliche unsichtbare Maulsperren hat ein altes Mütterlein seinerzeit oft genug den Gang zur Hexenprobe und den Scheiterhaufen antreten müssen. Schlag nach im Hexenhammer…
Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: HÄXAN ist mitnichten Trash. HÄXAN ist ein Stummfilm, daher von Haus aus expressiv, was wiederum mit Bildgewalt einhergeht.
Besonders der gefilmte Hexensabbat auf dem Brocken bringt eine Reihe faszinierender satanischer Momentaufnahmen hervor. Hier bekommt man die Schwarze Messe, die Huysmans in "Tief unten" und La Vey in der "Satanischen Bibel und Rituale" lediglich mit Worten beschrieben haben, in bewegtem Schwarz/Weiß serviert. Vorsicht, dies könnte einem nur vom Zugucken das One Way - Ticket zur Hölle sichern!
Während das besagte Kapitel über den Hexensabbat das visuell stärkste und finsterste ist, ist der kleine waschechte Hexploitationflick inklusive Denunziation, niederträchtigen Mönchen, hochnotpeinlichen Verhören und Scheiterhaufen die dramaturgisch spannendste Episode in den in 7 Teilen aufgegliederten 105 Minuten HÄXAN.
Und lehrreich ist´s: So werden per Zeigestock (!) die Marterwerkzeuge inquisitorischer Folterknechte in bester Telekolleg - Manier erklärt und zu Beginn gibt es einen kleinen satanischen Kunstexkurs durch die Werke von Bosch, Dürer und co.
Dort begegnet uns übrigens auch die Statue des assyrischen Seuchendämon Pazuzu, der seinen Bekanntheitsgrad ein halbes Jahrhundert später - dank William Friedkin und DER EXORZIST - immens steigern konnte.
Wie schon erörtert: HÄXAN ist die Wurzel ALLEN Übels… (-welches uns abseitige Geister aber auch heute noch zu begeistern weiß; und den FILMTIPPS nach der derzeitigen Statistik im Schnitt 666 Leser täglich beschert).
Wenn sich ein Film als "Mutter der Hexploitation" bezeichnen darf, dann dieser hier. Und HÄXAN aus dem Jahr 1922 hat noch mehr Kinder. Die heißen Okkulthorror und Nunsploitation. Der Bannstrahl des Vatikans adelt diesen uralten Klassiker, der mit düsterer Bildgewalt lediglich den mittelalterlichen Hexenglauben und klerikale Schandtaten dokumentieren will, zusätzlich. Auch wenn heutzutage manches unfreiwillig komisch erscheint; dieser Film ist trotz seines Alters ein Tabubrecher vor dem Herrn!