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Schwester mein ...

Schwester mein ...

EXPERIMENTELLER KURZFILM/PSYCHOTHRILLER: DEUTSCHLAND, 2004
Regie: Marcus Stiglegger
Darsteller: Christoph Donarski, Michael Dreesen, Mona Schmidt

STORY:

Ein Mann (Michael Dreesen) macht sich in Frankfurt am Main auf die Suche nach seiner Schwester (Mona Schmidt). Er findet nicht nur heraus, dass diese Teil der dortigen BDSM-Szene war, sondern findet diese am Ende ermordet in ihrer Wohnung vor. Zugleich werden seine Nachforschungen zu einer Reise in seine eigenen inneren Abgründe ...

KRITIK:

SCHWESTER MEIN ... ist ein 17 minütiger Kurzfilm des deutschen Filmkritikers, Buchautors ("Ritual & Verführung - Schaulust, Spektakel & Sinnlichkeit im Film") und Herausgeber des Ikonen-Magazins Marcus Stigleggers, der im Grenzbereich zwischen Neo-Noir und Experimentalfilm angesiedelt ist. Stiglegger selbst bezeichet diesen Film in einem "Interview mit Werner Niedermeier (Chefredaktion SM-News)" sehr treffend als einen "allegorischen Psychothriller".

Dabei ist es kein Zufall, dass die Anfangsbuchstaben des Titels S.M. lauten. Denn die für den Bruder schockierende Einsicht, dass seine geliebte Schwester Teil dieser Szene war, steht im Zentrum des Films.

Dies wird schon rein inszenatorisch dadurch betont, dass SCHWESTER MEIN ... in seinem Mittelteil, der einen Besuch des Bruders in einem SM-und Fetisch-Klub zeigt, auf einmal von schwarzweiß zu Farbe wechselt. Zugleich werden sowohl die Schnitte, als auch der durchgängig kalte Industrial-Soundtrack hektischer und spiegeln die Verwirrung, die den Protagonisten angesichts des für ihn offensichtlich sowohl ungewohnten, als auch bedrohlich wirkenden Geschehens ergreift.

Diese Passage ist als ein an Gaspar Noés IRREVERSIBEL angelehnter Abstieg in die Hölle dargestellt. Und ebenso, wie der entsprechenden Szene im düsteren Schwulenklub in Noés Film, ist es letztendlich weniger das dortige, auf einen nicht mit der entsprechenden Szene Vertrauten bizarr wirkende Treiben, was wirklich infernalisch ist, sondern die völlige Fehleinschätzung der tatsächlichen Situation durch den Protagonisten.

Für den Großteil seiner übrigen Laufzeit orientiert sich SCHWESTER MEIN optisch stark am klassischen Film noir und am Deutschen Expressionismus. Durch den durchgängigen markanten Einsatz eines harten Industrialbeats und die immer wieder hervorgehobene Skyline von Frankfurt ist jedoch jederzeit deutlich, dass dieser Film in einer typischen Großstadt unserer Gegenwart spielt. Die kalte Großstadt ist neben dem Bruder und seiner toten Schwester der heimliche dritte Protagonist des Films und zugleich der äußere Spiegel für des Bruders innere Einsamkeit und Leere.

Die allgegenwärtige Kälte, die diese Stadt zu jeder Zeit zu verströmt, erinnert stark an die unwirtliche Urbanität der frühen Filme von Shinya Tsukamoto (TETSUO: THE IRON MAN, TOKYO FIST). Der streckenweise experimentelle, mit Subliminalbildern arbeitende Gestus ist auch deutlich vom frühen Darren Aronofsky (PI, REQUIEM FOR A DREAM) inspiriert. Allerdings ist Stigleggers Inszenierung zu jedem Zeitpunkt wesentlich ruhiger als die der oft mit dem Prinzip der optischen Reizüberflutung arbeitenden beiden vorgenannten Regisseure.

Die keineswegs als reine akustische Untermalung eingesetzte, sondern oft sogar das Bild dominierende Tonspur gemahnt in ihrer Eindringlichkeit gar als David Lynchs experimentellen Debütfilm ERASERHEAD und macht die innere Zerrissenheit des Protagonisten auch auf auditiver Ebene erfahrbar. Dieser Eindruck wird noch durch die Aufhebung der zeitlichen Kontinuität der Handlung und das immer wiederkehrende Motiv der Spiegelung bzw. des Doppelgängers gesteigert.

Wie bereits angedeutet, zeigt SCHWESTER MEIN ... weniger eine Reise, die den Bruder zu einem wirklichen Verständnis des eigentlichen Wesens seiner Schwester führt, sondern zeigt gerade sein Scheitern daran, deren Welt zu verstehen oder auch nur akzeptieren zu können. Stattdessen wird er mit seinen eigenen verdrängten inneren Dämonen konfrontiert.

SCHWESTER MEIN ... ist zusammen mit vier älteren und kürzeren, aber überwiegend ebenfalls äußerst interessanten Kurzfilmen Stigleggers auf DVD-R als die Nr. 1 des hauseigenen :ikonen: media - Labels erschienen und kann direkt über die Homepage des Ikonen-Magazins bestellt werden. Die DVD-R ist auf 200 Exemplare limitiert, durchnummeriert und handsigniert und bietet neben den anderen Kurzfilmen als weitere Extras einen informativen Audiokommentar des Regisseurs, eine Gesamtdarstellung der im BDSM-Klub gezeigten Performance der "Kleinen Gruftschlampe" und einige Trailer.

Schwester mein ... Bild 1
Schwester mein ... Bild 2
Schwester mein ... Bild 3
Schwester mein ... Bild 4
FAZIT:

Der von seinem Regisseur Marcus Stiglegger als ein "allegorischer Psychothriller" bezeichnete SCHWESTER MEIN ... ist ein äußerst interessanter Kurzfilm, der seine vom Film noir bis zu Gaspar Noé reichenden Einflüsse zu einem ganz eigenen, irgendwo zwischen einer Thriller-Miniatur und einem Experimentalfilm angesiedelten homogenen Ganzen verwebt. Dabei überrascht das hochinteressante Gesamtergebnis umso mehr, wenn man weiß, dass dieser 17 minütige Kurzfilm für ein Gesamtbudget von gerade einmal 500 € gedreht wurde.

WERTUNG: 9 von 10 aneinander vorbeifahrende Züge
TEXT © Gregor Torinus
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