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Toxic Lullaby

Toxic Lullaby

INDEPENDENT: D, 2010
Regie: Ralf Kemper
Darsteller: Samantha Richter, Noah Hunter, Eva Maria Balkenhol, Andreas Pape

STORY:

Was gibt es Schöneres, als mit ein paar guten Freunden im Cabrio durch die Landschaft zu cruisen, die Sonne, Wein und Drogen zu genießen und bar jeglicher Sorgen zu sein? Nichts - zumindest für Eloise (Samantha Richter), die genau das mit ihren Kumpels Ziko und Frank und einer weiteren Freundin macht. Aber etwas geht schief. Ob es die Kombination aus Drogen und Wein war, oder die Pestizide, die auf einem nahe gelegenen Feld von zwei muskelbepackten Hünen versprüht wurden: Irgendwie gelangt Samantha auf einen Trip, aus dem es kein Erwachen zu geben scheint. Statt in einer sonnendurchtränkten Welt des Überflusses zu sein, landet sie in einer post-apokalyptischen Vision des Schreckens.

Ohne Vorwarnung wird Eloise in diese Welt gestoßen, in der die Luft vergiftet und die Nahrungsmittel knapp sind. Ein Trupp Schutzmaskenträger findet die ob des Realitätswechsels arg verwirrte und ratlose Frau. Während der große Teil der Gruppe die anscheinend Wehrlose lieber zurücklassen möchte, sieht einzig und allein Bretoria (Noah Hunter) in der blonden, seltsam gekleideten Frau eine Botschafterin von der ominösen "grünen Insel". Einem Ort, an dem alles besser, die Luft rein und das Wasser klar ist. Alles Sachen, an die Eloise sich zwar erinnern kann, aber so recht will sie sich selbst nicht wirklich als Heilsbringerin sehen.

Bretoria setzt sich in der Gruppe durch, und so wird Eloise gnadenhalber mitgenommen. Ein schwerer Fehler, denn schon in der ersten Nacht entzündet Eloise in ihrer Unterkunft ein Feuer, um sich zu wärmen. Doch das Licht lockt Angreifer an - und zwar von der Sorte zombiehaft torkelnd und nach Menschenfleisch gierend. Auf ihrer Flucht vor den Beißwütigen werden Bretoria und Eloise von den anderen getrennt - und so beginnen sie, auf eigene Faust nach Francis, einer Kolonie mit Überlebenden, zu wandern. Während ihrer Reise, in der Eloise grausame "Futterstellen" vorfindet, des Öfteren attackiert und einmal fast vergewaltigt wird, erfährt sie die Hintergründe dieser alptraumhaften Welt:

Irgendwann gingen hier einmal die Nahrungsmittel zu Ende und ein Krieg um die letzten Ressourcen brach aus. Das Militär kam auf die glorreiche Idee, einen Virus freizusetzen. Doch statt dem Endsieg brachte es nur die "Schläfer" hervor: Infizierte Menschen, die tagsüber in einer Art Starre zu schlafen scheinen, nur um nachts auf Suche nach menschlicher Beute zu gehen. Und je länger Eloise sich auf der Reise befindet, um so entsetzter muss sie feststellen, dass der Unterschied zwischen den "Schläfern" und den Überlebenden oft kleiner ist als man denkt...

KRITIK:

Die Schläfer sind - obwohl noch immer menschlich - natürlich eine Art Zombie. Sie jagen ohne Rücksicht auf eigene Verluste, greifen hirnlos in schierer Überzahl an, und ihre Bisse sind hochgradig infektiös. Abweichend davon können sie sprechen; zumindest ein, zwei Sätze, die so wirken, als wären sie in einer Art Sprachroutine gefangen. Was natürlich seltsam anmutet, wenn ein Zombie sich gerade an deinen Eingeweiden gütlich tut und dabei die ganze Zeit jammert: "Es tut mir leid. Es tut mir so leid." Dementsprechend gibt es auch ein paar Splatter- und Gore-Effekte, die aber teilweise so unspektakulär rüberkommen, als wären sie das Natürlichste auf der Welt.

Regisseur Ralf Kemper kennt auch keine Freunde im Film. Charaktere, die einem lieb geworden sind, sterben grausame Tode. Und zwar nicht unbedingt von der Sorte "Hab-ich-mir-doch-gleich-gedacht-dass-das-keine-gute-Idee" ist. Auch mit Eloise erlaubt sich Kemper einen gar grausamen Scherz.

Laut Kemper wurde für den Film 5.000 Euro an Bargeld ausgegeben - das merkt man dem Film NICHT an. Alleine die Locations sind Gold wert - aber dafür hat Kemper auch schon bei seinen vorherigen Filmen immer ein gutes Händchen gehabt. Die Kolonie Francis wurde in einer still gelegten Straßenbahnhaltestelle mit mehreren Zügen gedreht - und für die kaputte Welt da draußen dürfte (so meine Vermutung) ein aufgelassener Truppenübungsplatz hergehalten haben. Kameratechnisch hat sich Kemper und sein Team ebenfalls weiterentwickelt.

Die Hauptrollen sind durchweg gut besetzt. Allen voran fallen natürlich Samantha Richter alias Eloise, Noah Hunter als Bretoria und Eva Maria Balkenhol - eine Stammschauspielerin in Kempers Team - als Penny auf. In einer Nebenrolle ist der in der Independent-Szene doch recht bekannte Regisseur und Schauspieler Andreas Pape ("Kettensägen Zombies Redux", "Entropie") zu sehen. Einziger Wermutstropfen: Einige Rollen sind mit doch sehr hölzern agierenden Akteuren besetzt - aber das ist bei einem sonst außergewöhnlich guten Film Meckern auf hohem Niveau.

Der Film wurde 2010 auf dem New York Independent Film und Video Festival mit dem Award für den "besten internationalen Horror Film" ausgezeichnet. Zurzeit arbeitet Ralf Kemper an "Alptraumfieber", welches das Gegenteil von "Toxic Lullaby" sein soll. Zum Großteil ganz ruhige Kamera, wenig Gewalt, kein Blut, ganz kleines Team und wenig Kosten, verriet er gegenüber dem HomeMovieCorner. Ich kann es kaum erwarten...

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FAZIT:

Regisseur Ralf Kemper ist mir bis dato vor allem durch Filme wie "Überfall der Mörder-Rucksäcke" und "Die Waldbewohner" aufgefallen. Trash-Filme zwar, aber doch mit viel Liebe und Sinn inszeniert, so dass man sich als Zuschauer immer fragen musste: "Was würde Kemper machen, wenn er ein bisschen mehr Geld zur Verfügung hätte?" Die Antwort ist "Toxic Lullaby" - und meiner Meinung nach einer der Independent-Filme der letzten Zeit schlechthin. Den kann man sich, im Gegensatz zu so unsäglichen deutschen Zombie-Streifen wie "Virus Undead" oder das stylische, aber angestrengt wirkende Bukarest Fleisch wirklich in den DVD-Schrank stellen.

WERTUNG: 9 von 10 Gründen, es vielleicht doch mal vegetarisch zu probieren
Gastreview von HomeMovieCorner
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