HORROR: AUSTRALIEN, 2009
Regie: The Spierig Brothers
Darsteller: Ethan Hawke, Willem Dafoe, Claudia Karvan, Sam Neill
Tagsüber liegt die Welt wie ausgestorben brach. Sobald aber die Sonne untergegangen ist, erwachen die Städte in der Nacht zu (untoten) Leben. Denn im Jahr 2019 herrschen Vampire über die Erde. Die letzten, übrig gebliebenen Menschen wurden als lebende Blutbanken konserviert. Doch der Vorrat ist alarmierend knapp geworden. Und die einzige Nahrungsquelle für Vampire -nämlich Menschenblut- droht für immer zu versiegen. Während ein aufrichtiger Vampirforscher nach einem Blutersatzstoff forscht, bricht das Chaos im Reich der Vampire aus -
KRITIK:2003 lieferten die Gebrüder Peter und Michael Spierig, zwei deutschstämmige Australier, mit UNDEAD ihren Debütfilm ab. UNDEAD hat sich damals als recht frischer und bei Berücksichtigung des knappen Budgets als äußerst effizient inszenierter Zombiefilm aus dem Independentbereich erwiesen. Sechs Jahre später haben die Spierig-Brüder richtig Geld in die Hand bekommen -nämlich 20 Millionen Dollar- und durften auf ein namhaftes Hollywood-Ensemble zurückgreifen; bestehend aus Ethan Hawke, Willem Dafoe, Sam Neill, Claudia Karvan und Isabelle Lucas. Das Ergebnis ist DAYBREAKERS. Nach den Zombies nun Vampire.
Dabei bedienen sich die Spierig-Brüder so ziemlich allen Parametern, die der klassische Blutsaugermythos kennt, doch sie lesen sie im gleichen Atemzug allesamt neu aus. So entstehen aus simplen Umkehrungen ganz neue Möglichkeiten für ein Genre, in welchem schon alles gesagt schien und es reiht sich eine originelle Idee an die nächste.
DAYBREAKERS zeigt einen modernen Vampir, der im Prinzip den modernen Mensch eins zu eins ersetzt hat. Der Spierigsche Vampir "lebt" nicht mehr auf siebenbürgischen Schlössern oder düsteren Friedhöfen. Sondern in unseren einstmaligen Metropolen und Städten. Er trägt keinen schwarzen Umhang mehr und auch kein Leichenhemd, sondern Anzug und Krawatte; oder einen Laborkittel. So wie Ethan Hawkes vampirischer Charakter. Ein Wissenschaftler, der sich auch im (Un-)Tode Moral und Ethik bewahrt hat und nach einer Alternative zum Menschenblut forscht.
Der Blutersatzstoff wird aber auch dringend benötigt, denn der Vampir hat einen ebensolchen Hang zur selbstzerstörerischen Gier wie der Mensch zuvor. Auch der Vampir hat über die Jahre Raubbau an seinen überlebenswichtigen Ressourcen betrieben und steht nach der beinahe vollständigen Auslöschung des lebenden Menschen vor einem echten Nahrungsbeschaffungsproblem.
Die Vampirgesellschaft in DAYBREAKERS ist somit ein Spiegelbild der unseren und der Film selbst funktioniert nicht nur als modernisierte, originelle Variante des Vampirmythos, sondern auch als gesellschaftskritische Allegorie auf globale Bedrohungen.
Anhänger des puristischen Horrorfilms könnten nun vielleicht skeptisch werden und eine zu hohe Konzentration Sozialkritik in ihrem Vampirflick wittern. Diese Leute kann ich beruhigen. Die Spierig-Brüder haben den Horror- und Actionanteil an dem nichtsdestotrotz intelligenten Plot nicht vernachlässigt. Insbesondere gegen Ende splattert es -der FSK 16-Freigabe eine Nase drehend- recht feierlich. Aus Arterien wird fleißig Blut gepumpt und die ausgehungerten Vampire begnügen sich nicht nur mit einem kleinen Biss in den Hals. Vielmehr geht es da fast schon zu wie beim abschließenden Bunkersturm der Zombies in (Romeros) DAY OF THE DEAD.
Goreziegenpetrigen Gemütern könnte dies natürlich trotzdem wieder zu wenig sein, aber die haben ja immer was zu meckern. Ja sogar dann noch, wenn in Filmen Augen ausgestochen und Schamlippen gevespert werden. Egal - in DAYBREAKERS schlummern in der offiziellen FSK 16-Freigabe aber auf jeden Fall mehr wie ein Effekt, der eher nach hartem 18er aussieht. Aber die Spierigs hatten ja schon bei UNDEAD, der ebenfalls als 16er durchging, einen guten Draht zur FSK.
Wo wir bei drei ekligen Buchstaben sind: CGI ist auch am Start, aber so extrem offensichtlich computergeneriert wie in der Eröffnungssequenz wird es im weiteren Verlauf dankenswerterweise nicht mehr allzu oft. Oder ich habs verdrängt.
Nicht verschwiegen werden soll, dass sich zu den vielen erfrischenden Einfällen auch manche Hanebücherei geschlichen hat. Der Rückverwandlungsprozess vom Vampir zum Mensch ist nicht nur prinzipiell Kokolores, sondern wird hier auch noch nach einer wenig einleuchtenden Methode praktiziert. Aber da die guten Ideen überwiegen, fällt dieser kleine Malus nicht weiter ins Gewicht.
Außerdem könnte ich wetten, dass DAYBREAKERS nicht das letzte Wort zur neuen Spierigschen Vampirweltordnung war. Der Film scheint nämlich weit über seine 94 Minuten Laufzeit hinaus konzipiert sein. DAYBREAKERS mutet ein ums andere Mal wie ein Pilotfilm zu einem Serial an. Auch wenn zumindest ein Kapitel der Geschichte abgeschlossen wird, lässt das Ende von DAYBREAKERS trotzdem noch viel Luft für mehr. Und hey - von mir aus her mit den Sequels. Einen Krieg zwischen den letzten Menschen (ja, die gibts auch noch), Vampiren und den garstigen degenerierten Subsliders (= entartete Vampire, die sich wie die Reapers in BLADE 2 auch vom Blut anderer Vampire ernähren) stell ich mir ziemlich interessant vor.
Mit DAYBREAKERS treten die Gebrüder Spierig (UNDEAD) den Beweis an, dass man auch 88 Jahre nach Murnaus NOSFERATU noch originelle Vampirfilme drehen kann