OT: True Blood - Season 1
HORROR: USA, 2007
Regie: Michael Lehmann, Scott Winant, John Dahl, Daniel Minahan, Alan Ball
Darsteller: Anna Paquin, Stephen Moyer, Sam Trammell, Ryan Kwanten, Rutina Wesley, Chris Bauer
Vampire existieren und sie leben direkt unter uns - seit tausenden von Jahren schon. Japanische Wissenschaftler haben mit True Blood einen synthetischen Blutersatz entwickelt, um eine friedliche Koexistenz zu ermöglichen. Doch unter der Oberfläche brodelt es gewaltig. Denn Mensch und Vampir stehen auf Kriegsfuß.
Mittendrin bandelt Kellnerin Sookie, in dem Südstaaten Sündenpfuhl Bon Temps, mit Vampir Bill an. Eine ereignisreiche Liaison nimmt ihren Lauf.
KRITIK:Vampire. Sie sind unter uns. Sie sind überall. In Filmen, Serien, Hörspielen, Groschenromanen, Büchern. Still und heimlich haben sie die Zombies verdrängt und die Herrschaft übernommen. Sind an die Öffentlichkeit gestoßen; sie sind überall. Doch wir können uns noch glücklich schätzen, denn bisher haben sie nur unsere Populärkultur überfallen und sich wie ein Virus ausgebreitet. Die Bewohner Bon Temps, einer kleinen hinterwäldlerischen Stadt im tiefsten Süden Amerikas - dort wo Ku Klux Klan und christlich-fundamentalistischer Hassprediger sich Gute Nacht sagen - haben noch ganz andere Sorgen. Sie müssen sich einer neuen Realität gewahr werden, einer großen Wahrheit. Denn Amerika sowie die restliche Welt - auch wenn das amerikanische Selbstverständnis die Wahrnehmung einer "restlichen Welt" nicht zulässt, sie existiert - sind umgeben von Vampiren. Nach Jahrtausenden der Geheimniskrämerei, des Versteckens, nach Jahrtausenden während denen die Vampire ihre Existenz verleugneten und ihren Mythos, zum Selbstschutz, gleichzeitig aufrechterhielten, ja nährten, ward ihre große Stunde gekommen. Sie wollten ans Licht der Öffentlichkeit treten - in der Nacht, versteht sich.
Und so muss ein jeder nun mit dieser neuen Wahrheit zurechtkommen, sich an den Gedanken gewöhnen, dass Vampire, "menschliche Raubtiere", direkt unter ihnen leben - tagsüber im wahrsten Sinne des Wortes. Die Gefahr, die durch die Vampire ausgeht, seit ihre Existenz nun bekannt wurde, ist zwar nicht größer geworden, doch die Möglichkeit sein Unbehagen durch Leugnung ihrer Existenz zu tilgen, wurde so genommen. Man kann sich nicht mehr in heuchlerischer Sicherheit wiegen, indem man all die Gruselgeschichten als das abtut, was sie eigentlich sein sollten.
Um mit dieser so neuen Situation umzugehen gibt es verschiedene Lösungen und kein Patentrezept, jeder Einzelne muss auf seine Art und Weise versuchen sich in dieses veränderte Gefüge einzupassen. Da gibt es die Sympathisanten, die in Vampiren eine höhere, bessere Lebensform als die ihre sehen, oder schlichtweg das Gutmenschentum mit Löffeln gegessen haben und sich nun für die Rechte einer neuen unterdrückten Gruppe einsetzen können. Da gibt es Geschäftsmänner, die sich ideal darin verstehen ihr kapitalistisches Geschick auch in dieser Situation geschickt zu nutzen und da gibt es jene, die mit dieser verschobenen Realität, dieser neuen Weltordnung nicht umzugehen vermögen, deren Unverständnis in Hass umschlägt.
Und ganz selten trifft man auf Menschen, denen all das völlig egal ist, die erkennen, dass ihre Probleme weitestgehend die gleichen geblieben sind, dass die große Enthüllung der Vampirexistenzen ihr Leben weder von einem ins andere Extrem stürzen wird, die die sich durch weitestgehende Neutralität auszeichnen.
Ja, es ist ein bunter Kosmos dieses Bon Temps, ein wahres Konglomerat aus vielen Charakteren, von denen mindestens einer zu im letzten Abschnitt genannten Gruppen passt. Und doch meist nicht so einfach zu kategorisieren ist. Die Charaktere sind schließlich ein der großen Stärken TRUE BLOODs; sie sind allesamt sehr verschieden, einzigartig gar, mit unglaublicher Tiefe - haben eine Vergangenheit und eine Zukunft - und sind vor allem eins: kaputt. Es ist keine angenehme Welt, in die wir von dieser Serie entführt werden. Hier hat jeder Probleme, jeder Dreck am Stecken - und sei er bisher ein gutmütiges Bollwerk in der Dunkelheit gewesen, so kann man sich sicher sein, dass dies nicht lange so bleiben wird, dass diese Welt und all ihre Bewohner es früher oder später schaffen werden, auch die Reinsten unter ihnen zu korrumpieren.
Es ist eine übersteigerte Realität, ein übersteigertes Abbild dieser unserer echten Welt. Oder ist sie am Ende ein Abbild, doch kein übersteigertes? So manches Mal lässt sich eine klare Definition nicht treffen, zu erschreckend real wirken die Bilder von christlichen Fundamentalisten, wie sie da versuchen alles was nicht in ihr Weltbild, geprägt durch antike, als Heiligtum verehrte Groschenromane, passt, von ihrer ach so herrlichen - selbstverfreilich durch Schöpfung entstandenen - Erde zu jagen. "God hates Fangs", heißt ihr Wahlspruch und erinnert an die Hetzkampagnen realer geistloser Geistlicher aus der Keimquelle des christlichen Fundamentalismus, Amerika, mit ihren "God hates Fags"-Schildern und Botschaften. Eine wahrlich gelungene Allegorie.
Und dennoch - oder gerade deswegen? - ist es ein zwiespältiges Vergnügen, sich TRUE BLOOD zu Gemüte zu führen. Zum einen stößt einem das gesamte Serienuniversum einfach nur abgrundtief ab, zum anderen fasziniert es jedoch, lässt den Zuseher nicht mehr los - gar wie bei einem schrecklichen Autounfall, möchte man nicht hinschauen, sieht sich allerdings von seiner Neugier überrumpelt. Man ist gebannt vom weiteren Verlauf der Geschichte, gefesselt von all den extrem skurrilen Ereignissen. Und das von Folge 1 an. Dies verdanken wir der äußerst straffen Inszenierung, durchgehend auf einem hohen Niveau gehalten. Ungeachtet der Tatsache, dass - wie für eine Serie üblich unterschiedliche Regisseure für die einzelnen Folgen verantwortlich zeichneten.
Doch der lobenswerten Arbeit der Regisseure geht eine andere voraus, die der Drehbuchautoren. Beide stehen sich in nichts nach; selten ging das Fortsetzungskonzept - Grundlage einer jeden Fernsehserie - besser auf, wurde es puristischer und kalkulierter genutzt, als hier. Denn auch wenn Filmen ihre Fortsetzungen selten gut tun, so sind Serien wie guter Whiskey - sie reifen mit der Zeit, werden immer besser - bis sie schließlich irgendwann über den Hai springen, was leider selten ausbleibt, doch soweit ist TRUE BLOOD noch lange nicht. So gewinnt TRUE BLOOD mit jeder Folge und - so viel kann ich schon verraten - jeder Staffel an Qualität, erweitert sich das Gefüge des Serienuniversums.
Die Aufgabe, nicht nur der ersten Folge, auch der ersten Staffel ist es in der Regel alle wichtigen Charaktere einzuführen, Zusammenhänge aufzubauen und den Grundstein für alles Folgende zu legen. Diese Aufgabe erfüllt TRUE BLOODs erste Staffel auch vorzüglich, führt viele Figuren ein - hat auch keine Skrupel davor, den ein oder anderen gleich wieder über den Rand der Welt zu schubsen - und setzt das Tempo für spätere Folgen und Staffeln. Und das ist, gelinde gesagt, verdammt hoch. Da wird gemordet, gefickt - anders kann man's nicht ausdrücken - gebissen, und gestritten in einem Tempo, dass es einem schwindlig werden kann - jedoch ohne dabei zu hetzen und so einen unsauberen Eindruck zu hinterlassen. Und selbst ob der sich hier und da wiederholenden Thematik bestimmter aufgegriffener Ereignisse, wird es nie repetitiv oder gar langweilig, schließlich endet jede Folge mit einem Cliffhanger, wie ihn andere Serie wenn überhaupt an einem Staffelfinale zeigen würden, macht Lust auf mehr, nimmt den Faden anschließend auch an genau derselben Stelle wieder auf.
TRUE BLOODs erste Staffel nimmt sich bei hohem Tempo viel Zeit um seine Charaktere einzuführen, um den Grundstein des Serienuniversums zu legen. Was sich paradox anhört, funktioniert. Zumindest bei TRUE BLOOD. Denn TRUE BLOOD ist anders, eine zwar unbequeme aber angenehme und unterhaltsame Abwechslung zum vampiristischen Einheitsbrei, dessen Omnipräsenz in der Popkultur man schnell und sicher überdrüssig wird. So haben wir es denn mit einer Serie zu tun, die mit dem popkulturell aktuellen, dem klassischen Bild des Vampirs aber auch der entsprechenden Erwartungshaltung seiner Zuseher kokettiert. Metaphorisch greift TRUE BLOOD zudem aktuelle Themen auf, offenbart sich so bei genauerem Hinsehen als gelungene Gesellschaftskritik, übersteigertes Sittengemälde und verdammt lässige Zitatesammlung der Popkultur.
In diesem Sinne: "'Scuse me. Who ordered the hamburger... with AIDS? In this restaurant, a hamburger deluxe comes with french fries, lettuce, tomato, mayo, and AIDS! Does anyone got a problem wit dat? Aw baby, it's too late for that. Faggots been breeding your cows, raisin' your chickens, even brewin' your beer long before I walked my sexy ass up in this motherfucker. Everything on your God damn table got aids. Well, all you gots to do is say hold the aids here. Eat it! Bitch, you come into my house, you gonna eat the food THE WAY I FUCKIN' MAKE IT! Do you understand me? Tip your waitress!"